Von der Slawensiedlung zur Bürgergemeinde Am 16. Februar 2000 konnte die Amtsgemeinde Lehnitz auf 650 Jahre seit ihrer Ersterwähnung zurückblicken. Die konkrete Zeitbestimmung ermöglicht uns eine Urkunde, mit der die Markgrafen Ludwig der Ältere und Ludwig der Römer den Grafen Ulrich von Lindow-Ruppin mit Burg und Stadt Bötzow (Oranienburg) sowie einigen Dörfern belehnen. Der slawische Ursprung des urkundlichen Namens Lentzen lässt eine noch ältere Siedlung vermuten. Das aus bescheidenen Fischer- und Bauernhäusern bestehende Dorf wechselt im Verlauf der Jahrhunderte seine Pächter und gehört als Vorwerk bis in das 19. Jahrhundert hinein zum landesherrlichen Amt Oranienburg. Der historische Ortskern befindet sich im Bereich des heutigen Gutsplatzes in der Nähe des damaligen Lehnitzfliesses, der Verbindung zwischen der Havel und dem Lehnitzsee. Hier steht auch das restaurierte Gutshaus aus dem 19. Jahrhundert. Fischfang und Landwirtschaft bilden die bescheidenen Lebensgrundlagen, so dass die Einwohnerzahlen nur langsam anwachsen. Auch in Lehnitz will Friedrich der Große mit der Ansiedlung von Kolonistenfamilien die Entwicklung vorantreiben. Sie erfüllen jedoch nicht die in sie gesetzten Erwartungen, so dass 1766 wieder ein Erbpächter eingesetzt wird. Im Jahre 1801 beherbergen sechs Häuser 51 Einwohner. Lehnitz besitzt keine eigene Kirche und gehört daher bis heute zur Pfarrgemeinde Oranienburg-Lehnitz. Ein Feuer vernichtet am 5. Juni 1804 die wenigen Häuser. Mit der Auflösung des Amtes Oranienburg im Jahre 1832 wird das Vorwerk an einen Gutsbesitzer verkauft. Die Brüder Karl und Gustav Grütter kaufen 1873 den Gutsbezirk und schaffen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Grundlagen für die Entwicklung von Lehnitz zu einem Erholungs- und Villenvorort der nahen Reichshauptstadt. Das Ackerland wird aufgeforstet. Am 10. Juli 1877 fährt der erste Zug der Nordbahn nach Oranienburg und hält bei Bedarf auch in Lehnitz; 1889 beginnt auf der Grundlage eines "Situationsplans des Landhäuser-Bauterrains Lehnitzsee" die Parzellierung zwischen den Ufern des Lehnitzsees und den Wäldern des Königlichen Hofjagdreviers. Bereits 1880 ist aus dem ehemaligen Gutshaus das "Restaurant Lehnitz-See" geworden. Bis zur Jahrhundertwende folgen drei weitere Ausflugsrestaurants. Bootsverleih und eine im Jahre 1893 eröffnete Badeanstalt beziehen den Lehnitzsee in den Fremdenverkehr ein. Ein Jahr früher entsteht das "Restaurant Seelöwe" mit seinen großzügig angelegten Terrassen unmittelbar am Lehnitzsee gelegen, das Lehnitz zu der Auszeichnung "Perle des Nordens" verhilft. Der 1914 fertiggestellte Oder-Havel-Kanal macht den Lehnitzsee nicht nur zum Bestandteil einer wichtigen Verkehrsader zur Ostsee, sondern ermöglicht auch seine Anbildung an das Berliner Wasserstraßennetz. Allein fünf Reedereien mit ihren umfangreichen Dampferflotten laufen in den Sommermonaten täglich den "Seelöwen" an. Betuchte Berliner entdecken Lehnitz als attraktiven Wohnort. So entstehen zahlreiche repräsentative Vorstadtvillen, die z.T. nach 1989 ihre alte Architektur wieder erhalten haben. Bis 1919 ist die Einwohnerzahl auf 444 angewachsen. Am 1. Juli 1922 beginnt mit der Bildung der Landgemeinde Lehnitz die kommunale Selbstverwaltung in unserem Ort. Die Zeit der Villenbauten ist vorbei und so entstehen im wesentlichen Ein- und Zweifamilienhäuser. Die Bautätigkeit dehnt sich nun auch auf das sogenannte Südgelände aus. Hinzu kommen zahlreiche Wochenendsiedler, die auf ihren Parzellen kleine Häuschen errichten. 1923 gründet sich die Freiwillige Feuerwehr Lehnitz. Im Auftrag der "Versuchsstelle für Höhenflüge" entsteht in den Jahren 1941 bis 1943 im Norden die Waldsiedlung. Die aus Klinkern bestehenden Einzelhäuser passen sich in lockerer Siedlungsform in den existierenden Kiefernbestand ein. Nach 1990 wird die Siedlung zum architektonischen Denkmal erklärt. Der Verwaltung gelingt es bis 1945, die kommunale Infrastruktur zu entwickeln, Handels- und Gewerbetreibende anzusiedeln sowie am Ende des Zweiten Weltkrieges eine Schule zu errichten. Über 2000 Einwohner haben Lehnitz nun zu ihrem ständigen Wohnort gewählt. Auch unsere Gemeinde leidet schwer unter den Folgen des NS-Regimes. Bombentreffer im März und April 1945 sowie eine Typhus-Epidemie fordern zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung. Am 22. April 1945 erreichen die ersten Soldaten der Roten Armee das Ortsgebiet. Eine antifaschistisch-demokratische Gemeindeverwaltung wird geschaffen und mit zahlreichen Eigeninitiativen der Bevölkerung können die dringendsten Probleme in den nachfolgenden Jahren bewältigt werden. Bereits 1947 gründen sich der Lehnitzer Männerchor und eine Ortsgruppe des Kleinsiedlervereins. In den Jahren von 1956 bis 1963 entsteht im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks ein Kulturhaussaal, der mit dem Kulturhaus bis heute das kulturelle und kommunalpolitische Zentrum bildet. Hier finden unter anderem die Veranstaltungen des Lehnitzer Karneval-Klubs, der Lehnitzer Frauen- und Männerchöre sowie der Schützenbruderschaft Lehnitz statt. In den letzten fünf Jahrzehnten entstehen zahlreiche Eigenheime und Mehrfamilienhäuser, so dass die Einwohnerzahl bis auf nahezu 2500 angestiegen ist. 1975 bezieht die Nationale Volksarmee ein großes Standortobjekt am Mühlenbeckerweg. Im Gefolge dieser Maßnahme müssen 1977 der beschrankte Bahnübergang und der alte Bahnhof weichen. Drei Jahre später können die Lehnitzer ihre Bahnunterführung und den neuen Bahnhof in Besitz nehmen. Zwischen dem heutigen Bundeswehrstandort und der Gemeinde Lehnitz bestehen vielfältige kulturelle Beziehungen zum beiderseitigen Nutzen. Die Siedlungsentwicklung wird mit dem Bau einer zentralen Abwasserkanalisation und anderen infrastrukturellen Maßnahmen gefördert. Zahlreiche neue Einzel- und Siedlungshäuser sind nach 1990 entstanden. Dazu gehören auch drei neue Gaststätten. Seit 1992 gehört die Gemeinde Lehnitz zum Amt Oranienburg-Land. Bodo Becker |